rockthekitchen!®

Zum 31. – Über Zeiten und Dinge, Essen und Trinken und Möglichkeiten.

// 

Bekanntlich sollen sich die Zeiten ja ändern und die ganzen Dinge gleich mit. Sicherlich tun sie das auch, wobei es manchmal den Anschein hat, dass entweder einige Dinge vergessen wurden oder es einfach mal wieder Zeit ist, manche Dinge nochmal neu ins Rennen zu schicken. Vielleicht bleiben die ganzen Dinge an sich aber auch einfach wie sie sind und nur die Meinungen darüber ändern sich?
Vielleicht ändern sich aber sowohl die Dinge als auch die Meinungen über diese im Laufe der Zeit, was eine objektive Betrachtung dann eigentlich komplett erledigt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass früher ja sowieso alles besser war ;-)

Worum es jetzt eigentlich geht? Schwierige Frage, einfache Antwort: Es geht um Trends. Um Trends in einem bestimmten Bereich und um eine kleine aber wichtige Veränderung welche zumindest mir auffällt. Im Hoheitsgebiet der Mode kennt man die immer wiederkehrenden Merkmale ja und kann sie dann schnell, natürlich auch durch mangelndes Fachwissen, als „alles schon mal dagewesen“ enttarnen. Auch, wenn die Trends in dem Bereich öfter mal wiederkehren, sind sie aber doch eher kurzlebig oder erreichen die Allgemeinheit nicht.
Ganz im Gegenteil zu den Grundbedürfnissen Essen und Trinken. Natürlich gibt es hier auch viele schnell verglühende Trend-Sternschnuppen, aber im Großen und Ganzen setzen sich viele Trends durch, erreichen auch den „normalen“ Menschen und sorgen dafür für eine größere Vielfalt im Hause Mustermann.

Um etwas konkreter zur werden, benennen wir einige Dinge einfach mal beim Namen.

Müsli. Jetzt mal ehrlich, wer hätte gedacht, dass dieses „alternative“ Frühstück wirklich mal trendy wird? Oder liegt es wirklich nur an der Möglichkeit des Selbstzusammenstellens bzw. der Individualisierung in den bekannten Shops? Oder werden einfach alle reifer und keiner lästert mehr über das Frühstück des anderen?

Whisky/Whiskey. Das war doch immer das Getränk älterer Herren in noch älteren Filmen? Früher konnte man weder die korrekte Schreibweise der geographischen Herkunft zuordnen noch den Unterschied zwischen „Blended“ und „Single Malt“ erklären geschweige Letzteren im normalen Einzelhandel erwerben. Heute sind Whisky-Tastings Gang und Gäbe, die Finishes jeder Destillerie sind unüberschaubar und mittlerweile muss nicht mal mehr die Zahl der Lagerjahre auf der Flasche stehen. Gekauft wird alles.

Kaffee. Ok, Kaffee wurde natürlich schon immer getrunken. Aber die Möglichkeiten heutzutage sind ja fast schon astronomisch. Herkunft der Bohnen, Art der Röstung, Mahlgrad und Art der Zubereitung waren früher egal, heute gibt es Kurse und anregende Mitarbeitergespräche in der Küche. Omas alte Kaffeemühle wird reaktiviert, jede Kleinstadt hat eine eigene Rösterei und nicht mal mehr vor kaltem Kaffe wird zurückgeschreckt.

Cupcakes. Klar, die sehen schön aus und die verschiedensten Geschmacksrichtungen können anscheinend ausreichend viele Menschen ausreichend Zeit beschäftigen, dass sich das Betreiben eines entsprechenden Ladens lohnt. Wohlgemerkt ein Laden nur für Cupcakes. Also ähnlich wie Krapfen-Laden, Croissant-Laden oder Nussecken-Laden.

Burger. Verbrachten die meiste Zeit, hauptsächlich dank einiger großer Hersteller, in den Untiefen der Fast-Food-Kultur. Jetzt gibt es hier aber eine Art Graswurzel-Revolution und Burger haben nichts mehr mit Industrie, System-Gastronomie und Mindestlohn zu tun, sondern mit guter Küche, Innovation und Existenzgründung.

Gin. Na, wer kennt jemanden, der sich vor 10 Jahren freiwillig zu Gin bekannt hat? Von Trinken will ich ja gar nicht reden. Außer im Flugzeug, von älteren Damen von der Insel und von einer leider nicht mehr unter uns weilenden noch älteren Dame von der Insel wurde das Zeug doch bis vor einiger Zeit von keinem Menschen angerührt. Und jetzt gibt es das Getränk, was vor gut 300 Jahren für billigen Rausch, Not und Elend stand, für Preise, wohinauf mancher, lang gelagerter, Whisky ungläubig aufschaut.

Foodtrucks. Aus einem Gefährt an verschiedenen Standorten Essen verkaufen. So, so, ist ja der Wahnsinn. Da fallen mir die seligen Imbissstände aus früheren Zeiten ein, sei es auf Jahrmärkten, Kirchweihen oder einfach nur so am Rande einer Veranstaltung oder Straße. Natürlich nichts Neues, nur etwas aufgehübscht und nicht mehr als Beiwerk einer Veranstaltung, sondern als Event an sich.

Vegetarisch/Vegan. Man möge es mir verzeihen, aber ich werfe die zwei mal zusammen. Seit einiger Zeit wird man im Allgemeinen ja nicht mehr schief angeschaut, wenn man sich dazu bekennt. Eher sieht man einen gegenteiligen Effekt, der „Fleischesser“ vertritt seinen Standpunkt nicht mehr vehement und mit Selbstbewusstsein, sondern versucht sich eher mit „aber nur vom Bauern“, „muss ja nicht jeden Tag sein“ usw. zu „rechtfertigen“. Natürlich gibt es noch die völlig überzeugten Fleischesser, aber bei einem nicht unmerklichen Teil setzt zumindest ein Nachdenken in Sachen „täglich billiges Fleisch“ ein.

Hofläden. Ich packe hier mal „saisonal“ und „regional“ als Stichworte mit rein. Nach dem Discounter und Supermärkte die kleinen Tante-Emma-Läden endgültig verdrängt und es sich selbst neben Baumärkten vor der Stadt bequem gemacht haben, werden die Lücken wieder aufgefüllt. Aber anstatt nur den Charme vergangener Zeiten zu wiederholen gibt es saisonales Obst und Gemüse aus der Region und „bio“ und „artgerechte Tierhaltung“ sind keine Fremdworte mehr.

Bier. Es gab mal eine Zeit, da war für viele klar, der gebildete und kosmopolitische Genussmensch trinkt Wein, sein Konterpart dagegen bleibt am Stammtisch bei Bier. Und selbst unter den Biertrinkern wurde man als Liebhaber britischer Biere belächelt. Warm und abgestanden, schmecken wahlweise nach Blumen oder Algen oder beidem, sind nur Dünnbier und so weiter. Vorzugsweise kam diese Kritik von Menschen, die in ihrem Leben nur eine Biersorte einer Brauerei trinken. Im Moment gibt es Craft Beer und Pale Ale ist die Sorte der Stunde und es gibt extra Gläser. Für Bier.

Natürlich könnte man hier fast endlos weitermachen: Streetfood, Stevia, Quinoa, Amaranth, Slow Food, Smoothies und was weiß ich. Meiner Meinung nach erhöht sich aber nicht nur die schiere Anzahl, also die Breite der neuen Trends welche auch den normalen Konsumenten erreichen sondern auch die Möglichkeiten innerhalb eines Themas, also die Tiefe, scheint mir zu steigen. Logisch, Freaks bzw. Nerds gab es natürlich schon immer, aber heute erscheint mir das irgendwie alltagstauglicher.

Ist das wirklich so und wenn ja, woher kommt das?

Nachdem es sich hier ja um ein Weblog handelt, fällt es natürlich leicht, die „Schuld“ auf das Web zu schieben. So ganz falsch dürfte man damit aber auch nicht liegen, bietet das Web doch einfachen Zugriff auf gigantische Informationsmöglichkeiten. Mehr oder weniger in Echtzeit können sich Neuigkeiten und somit natürlich auch Trends verbreiten. Das weckt in manchen natürlich die Kreativität und vom Nachmachen bzw. Kaufen zum Erfinden bzw. Selbermachen ist es zwar ein großer aber eben auch nur ein Schritt. Bei einigen regt es auch ein gewisses Gründertum an. Sei es ein Webshop oder doch der klassische kleine Laden. Durch das Smartphone in der Tasche hat man zumindest das Gefühl, die ganze Welt könnte Kunde werden. Die oben genannten Freaks und Nerds lernen, dass sie nur in ihrer kleinen Umgebung alleine sind, im Web sind sie Legion.

Ich würde fast sagen, die Trends waren in gewisser Weise schon immer da, nur halt in einer Art Dornröschenschlaf. Es bedurfte nur einen digitalen Prinzen.

Vielleicht ist es aber auch ganz anders und ich sehe es nur nicht?

Caipirinha, Desperados und Vodka-Bull soll es ja auch mal gegeben haben. Doch, doch. Diese Dinge waren aber schon damals nicht unbedingt mit meiner Aufmerksamkeit gesegnet und heute erst recht nicht. Könnte es also sein, dass es an mir liegt, wenn ich überall neue Brauereien und Biersorten sehe?. Bin ich ein Opfer der selektiven Wahrnehmung? Muss ich mir Sorgen machen?
So ganz werde ich das Rätsel sicher nie lösen können, hat doch jeder irgendwie seine eigene Realität. Ich bleibe der Sache aber auf der Spur!

Grundsätzlich lässt sich aber sicher sagen, Paleo hin, Paleo her, früher war definitiv nicht alles besser!
Vor allem nicht im Bereich Essen und Trinken. Überhaupt stellt sich hier die Frage, ob die ganzen Entwicklungen überhaupt Trends sind oder ob das alles zu einem größeren Ganzen gehört. Man könnte es etwas schwammig als „bewusste Ernährung“ bezeichnen. Wohlgemerkt bewusst und nicht unbedingt gesund oder rational oder sonst was. Man isst nicht nur um satt zu werden sondern um seine eigenen Vorstellungen, seine eigenen Philosophie umzusetzen bzw. seinen eigenen Geschmack weiterzuentwickeln. Genauso wird man nicht einfach nur betrunken sondern man interessiert sich für das Getränk hinter der Wirkung. Zugegeben, das trifft erst ab einem gewissen Alter zu.

Grob betrachtet ist das natürlich alles Luxus. Wenn jetzt aber eine steigende Anzahl von Menschen sich mit Luxus beschäftigt bzw. die Möglichkeit hat sich damit zu beschäftigen, dann sind wir doch eigentlich auf einem guten Weg. Deswegen muss ich sagen, dass ich gegen diese Entwicklung überhaupt nichts habe. Anders als bei allen anderen „New“, „In“, „Diese Saison“, „trendy“ usw. -Dingen finde ich die Neuerungen im Ernährungsbereich (klingt völlig unsexy aber mal ehrlich, „Food-Bereich“ geht doch auch nicht) zum großen Teil interessant und probiere es gerne aus.

Als passendes Abschlusswort möchte ich einen Freund von mir sinngemäß zitieren: „Wenn man öfter handwerklich gut gemachte Biere aus eher kleineren Brauereien trinkt, kann man irgendwann diese ganze Industrieplörre nicht mehr trinken.“

Wir sind auf einem guten Weg.

Prost!