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Zum 31. – Gedanken, Geschmack und (weisses) Gold

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Ein Monat ist mal wieder am Ende angekommen und heute sieht es mancherorts so aus, als ob sich gleich die ganze Welt anschließen will. Neben dem, sich sicher verschiebenden, Weltuntergang ist heute aber auch der 31. Tag des Monats und somit Zeit für die männlichen Gedankengänge hinter rockthekitchen! Ich ignoriere jetzt mal das Schauspiel vor meinem Fenster und stelle fest, dass der Winter eigentlich fast vorbei ist. Demnächst verlagern sich einige Teilbereiche des Lebens vermehrt nach draußen. Auf Terrassen, Balkone, Parks, Biergärten und anderen Außenflächen bekommen die Spatzen wieder Gesellschaft von, hoffentlich spendierfreudigen, Menschen. Teilweise ändert sich auch schon die Kleidung und überhaupt kehrt mancherorts wieder menschliches Leben ein.

Lange Rede, kurzer Sinn: Das Frühjahr hat begonnen. Diverse Veränderungen kann man jetzt auch auf Speisen- bzw. Tageskarten, zumindest hier in der Region aber sicher auch weiter entfernt, feststellen. Es findet ein Wechsel von Fisch zu Gemüse statt. Genauer gesagt, der winterliche Karpfen wird durch den frühlingshaften, weißen Spargel ersetzt. Bevor sich jetzt aber alle über eine weitere Lobpreisung freuen, ich verstehe das nicht. Überhaupt nicht. Also, dass die Karpfensaison irgendwann ein Ende hat und der Spargel jetzt gerade wächst bzw. demnächst geerntet wird, erscheint mir durchaus logisch. Aber es wachsen jetzt ja auch noch andere Pflanzen. Osterglöckchen und Schneeglöckchen zum Beispiel oder Sauerampfer, Löwenzahn und Bärlauch. Einige davon sind nicht nur essbar sondern überzeugen auch im Geschmack.

Ihr merkt sicher, wohin die Reise geht. Ich kann mit dem gestochenen also dem weißen Spargel nichts aber auch gar nichts anfangen und stehe jedes Frühjahr völlig ratlos vor den ganzen Spargel-Schildern/-Bündchen/-Tellern und ja, auch vor den -Essern. Ich muss zugeben, ich gehöre mit dieser Einstellung zu einer Minderheit. Manchmal denke ich fast, ich bin die Minderheit. Wahrscheinlich mache ich mich mit diesem Artikel auch noch zu einer gefährdeten Minderheit. Ist der Spargel hier in der Gegend, und sicher auch in größerem Umkreis, doch Gegenstand einer fast religiösen Verehrung oder wird, etwas profaner, zumindest als „das weiße Gold“ bezeichnet.

Woher kommt jetzt die Begeisterung? Handelt es sich um Massenhysterie oder -psychose? Ist es Glaube? Oder ist es sogar politisch gewollt? Schließlich dürfte Spargel ein nicht zu unterschätzender Faktor für die regionale Wirtschaft sein. Jedes Jahr wird ein riesen Zinnober, angefangen vom offiziellen Spargelanstich über diverse Gipfeltreffen von Landrat und Spargelkönigin bis hin zum letzten Spargelstich an Johanni, veranstaltet. Ich fühle mich da immer ein bisschen wie ein Asexueller in einer Stripshow. Da ich das asexuelle Gefühl jetzt auch (überhaupt) nicht nachvollziehen kann, entschuldigen bitte die Asexuellen, im Falle des Hinkens, diesen Vergleich. Ansonsten ist es sicher verständlich, was ich damit ausdrücken will. Wenn wir aber schon mal beim Thema sind, eine gewisse Phallushaftigkeit ist dem Stängchen, oh Mann, der Stange natürlich, ja nicht abzusprechen. Liegt es vielleicht daran?

Meine bisher durchgeführten Feldforschungen ergeben ein etwas schizophrenes Bild: Spargel wird oft mit Hollandaise serviert. Manchmal wird er vorher noch mit Schinken umwickelt, dann mit Käse überbacken und dann kommt erst die Hollandaise. Röllchen nennt sich das dann. Ich stelle jedenfalls fest, wenn ich irgendwo Ketchup drüberschütte, bin ich ein Banause. Wenn ich den Spargel aber in Hollandaise ertränke, dann schmeckt der Spargel „heuer aber wieder ausgezeichnet und ist sein Geld wert“.

Es ist ja nicht so, dass er mir gar nicht schmeckt. Er schmeckt halt nur einfach nach nichts. Ich gebe dem „königlichen Gemüse“ jedes Jahr aufs Neue seine Chance. Und jedes Jahr stelle ich aufs Neue fest, dass das so ziemlich das fadeste und langweiligste Zeugs sein muss, wass man als normaler Mensch auf legalem Weg erhalten kann. Geschmacksneutral sonders gleichen. Den Witz, dass sich ein gewisses Aroma erst später bildet, lasse ich jetzt mal weg. Spargel befindet sich auf meinem Speiseplan ganz unten bzw. auf der Rückseite. Vorher kommt so ziemlich alles andere.

Im Winter, in dieser spargellosen, dieser gar schröööcklichen Zeit habe ich über die Schwarzwurzel gelesen, dass sie auch Winterspargel genannt wird und noch feiner als Spargel schmeckt. Noch feinerer Geschmack? Also ungefähr so, wie wenn ich mit geöffnetem Mund durch die Wohnung laufe? Das Interesse war geweckt, Position und Funktionsweise der Küche sind mir bekannt und Suppe kriege ich, mit Rezept, auch hin. Das Ergebnis? Sehr gut. Schmeckt. Von wegen feiner als Spargel. Schwarzwurzelsuppe schmeckt sehr gut und hat Geschmack.

Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: Nein, bei meinen Spargeltests hatte ich keinen faserigen, holzigen oder bitteren Spargel. Der Spargel war entweder regional vom Markt und zu Hause (fachgerecht) zubereitet oder wurde in Gasthäusern mit regionalen und saisonalen Angeboten genossen(?). Meine Abneigung bzw. mein Unverständnis liegt auch gar nicht an dem, wenn auch nur sehr spärlich vorhandenem, Geschmack sondern wahrscheinlich ist mir der Geschmack an sich einfach zu lasch. In etwa so, wie ich einen Tee aus Ceylon immer einem aus Darjeeling vorziehen würde oder die Forelle der Müllerin einer blauen oder südliche Islay-Whiskys einem Speyside. Ich ziehe also, im Großen und Ganzen, zumindest bei diesen Nahrungsmitteln, den „heftigeren“ Geschmack einem „feineren“ vor. Auf jeden Fall ergibt sich daraus die traurige(?) Tatsache, dass ich wahrscheinlich kein Feinschmecker bin. Vielleicht sollte ich darüber mal einen eigenen Beitrag machen.

Jedenfalls möchte ich, wie immer, meine Erfahrung und meinen Geschmack erweitern und meine Meinung überprüfen und gegebenenfalls ändern. Also auf, ihr Spargelfans, überzeugt mich!

Derweil verbleibe ich bis zum nächsten Mal
Euer Spargel-Skeptiker